Tag der rheinhessischen LandFrauen - offen der Digitalisierung begegnen

Eröffnungsveranstaltung der Agratage 2018 in Nieder-Olm

Über 400 Aussteller, 15.000 Besucher – die Agrartage Rheinhessen, die seit 20 Jahren in Nieder-Olm stattfinden, haben sich zum wichtigsten jährlichen Branchentreffen der Landwirte und Winzer im Südwesten entwickelt. Längst ist es zum guten Brauch geworden, dass die einwöchige Veranstaltung mit dem "Tag der rheinhessischen LandFrauen" eröffnet wird, den die Kreisverbände Bingen und Mainz federführend organisieren. Auch die „voll gefüllte Ludwig-Eckes-Halle ist schon Tradition“, wie der Leitende Landwirtschaftsdirektor Otto Schätzel zur Begrüßung vor 350 Landfrauen und Ehrengästen betonte.

 

Im Mittelpunkt der insgesamt 69. Agrartage steht das Thema „Digitalisierung“, das auch bei den Reden und Podiumsdebatten am Tag der rheinhessischen Landfrauen eine Schlüsselrolle einnahm. Das „Ehrenamt 4.0“, das bürgerschaftliche Engagement im ländlichen Raum im Zeitalter der Digitalisierung habe, wie die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Ursula Braunewell betonte, entscheidende Bedeutung für die Entwicklung der Gesellschaft. Zugleich werde es viel zu wenig beachtet. Braunewell warnte, dass die Zahl der Ehrenamtlichen sich in Zukunft „drastisch verringern“ werde. Zum einen, so Braunewell, verändern sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen. Ganztagskita und -schule schaffen Freiräume in den Erwerbsbiografien, flexible Arbeitszeiten stellen die Menschen aber vor neue Herausforderungen. Zudem würden immer seltener mehrere Generationen gemeinsam unter einem Dach leben und sich die Verantwortung teilen. 

 

„Alle Vereine klagen über den veränderten Lebensrhythmus“, hielt Braunewell fest. Die klassische Vereinsstruktur mit festen Treffen und der verbindlichen Übernahme von Verantwortung gerät unter Druck. Gerade die Vorstandsarbeit brauche aber ein aktives Mitwirken. Daher sei es wichtig, Menschen davon zu begeistern, Verantwortung zu übernehmen. Die Digitalisierung kann in den Augen der Landesvorsitzenden ein wirkungsvolles Instrument sein. Mailverteiler und Messenger-Dienste erleichtern die Kommunikation, machen Absprachen einfacher, Online-Banking vereinfacht den Zahlungsverkehr. Eine Voraussetzung sind adäquate Internet-Verbindungen im ländlichen Raum. Hier müsse die Politik ihre Ankündigung gleichwertiger Lebensverhältnisse in die Tat umsetzen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Menschen bereit und in der Lage sind, die technischen Anwendungen auch zu nutzen. Die Begeisterung zu wecken und die entsprechenden Schulungen durchzuführen, „können wir nicht alleine leisten“, betonte Braunewell – und richtete den Appell an die Landesregierung, die Landfrauen zu unterstützen, beispielsweise in Form eines Modellprojekts.

 

„Wir in Rheinhessen brauchen eine starke und gut aufgestellte Landwirtschaft“, betonten die Kreisvorsitzenden Gerlinde Gemünde (Bingen) und Uta Schmitt (Mainz), „wir produzieren auf unseren Betrieben gesunde Lebensmittel und pflegen zudem die Kulturlandschaft. Damit sind wir das Rückgrat der ländlichen Räume und die Zukunft für das ganze Land.“ Auch mit ihrem Einsatz für mehr Lebensqualität spannen die Landfrauen „die Brücken vom Herkömmlichen zu den Anforderungen von morgen“. Grundvoraussetzung für die Teilhabe des ländlichen Raumes an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sei die Anbindung an schnelles Internet. Die für Rheinhessen typischen kleinen und mittleren Betriebe müssten den Schritt zur digitalen Technologie wagen, um auf Dauer wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

Landrätin Dorothea Schäfer stellte die Bedeutung der Landfrauen für das Ehrenamt und die Vernetzung Rheinhessens heraus. „Eine Region wird dann stark, wenn sich viele Leute zusammentun“, erklärte die frühere CDU-Landtagsabgeordnete. Es sei wichtig, dass die Region Rheinhessen über das Jubiläumsjahr 2016 hinaus zusammenarbeitet. Zugleich müsse sie hinreichend kleinteilig bleiben, sodass jeder sich darauf besinnen könne, was ihn stark macht. „Wenn wir als Landfrauen wahrgenommen werden wollen, ist es gut, dass man sich zusammentut“, hob Schäfer hervor, „die Verbandsarbeit ist ganz besonders wertvoll.“

 

Eberhardt Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, hob die Bedeutung einer stärkeren Vernetzung der „Kräfte im ländlichen Raum und in der Landwirtschaft“ hervor. Zum einen bringe die Digitalisierung den Rückzug in „Echo-Räume“ mit sich. In den Sozialen Netzwerken und durch gezielte Suchanfragen auf Online-Plattformen würden immer häufiger nur noch Nachrichten zur Kenntnis genommen, die dem eigenen Weltbild entsprechen. Zum anderen kritisierte Hartelt, wenn in Medien, beispielsweise dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, zwar landwirtschaftskritische Stellungnahmen von Regierungsseite, nicht aber die Gegenpositionen der Verbände wiedergegeben würden. Um hier ein Gegengewicht zu bilden, gelte es, die Kräfte besser zu bündeln.

 

Das Ehrenzeichen des Landfrauenverbandes erhielt Judith Zimmermann aus Ludwigshöhe. Nieder-Olms Stadtbürgermeister Dieter Kuhl hob hervor, dass erstmals bei den Agrartagen freies W-Lan angeboten wird. Man dürfe gleichwohl vor lauter Digitalisierung das persönliche Gespräch nicht vernachlässigen. Die rheinhessische Weinprinzessin Katja Hattemer berichtete darüber, wie sich mit einer kontinuierlichen Präsenz in den Sozialen Netzwerken die Zahl Interessierter Schritt für Schritt erhöhen lasse. Im Rahmen eines szenischen Vortrags unter der Leitung von Cornelia Peters stellte die Theatergruppe des Mehrgenerationenhauses Ingelheim-West eine Reihe rheinhessischer Frauen vor, die sich für ihre Rechte eingesetzt haben, von der Gleichberechtigung in der Ehe und im Erwerbsleben bis zur Erlaubnis, Fußball zu spielen. Die Draiser Tanzgruppe und die Kinder-Tanzgruppe des Turnvereins Nieder-Olm rundeten den Nachmittag ab. Günter Rheingans begleitete die Veranstaltung am Klavier.

Torben Schröder

 

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